Die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst ist in vollem Gange, mit Warnstreiks versucht die Arbeitnehmerseite ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Verhandlungspositionen liegen noch weit auseinander. Die Arbeitgeber boten zuletzt rund drei Prozent Einkommenssteigerung für zwei Jahre an, während die Gewerkschaftsforderung nach wie vor bei sechs Prozent liegt. Heute ist in Potsdam eine weitere Verhandlungsrunde angesetzt, wohl nicht die letzte. Am Ende wird man sich wohl „in der Mitte treffen“ – wie fast immer.
Steigende Tariflöhne haben auch Auswirkungen auf die Pflegebedürftigen. Dies beschreibt und kommentiert Carmen P. Baake in diesem Beitrag.
Bundespolitiker fordern Tariflöhne für Pflegekräfte – Kommunen und Pflegebedürftige zahlen!
Selten war das Einvernehmen zwischen Bundespolitikern und Berufsvertretern der Pflegekräfte so hoch wie bei der gemeinsamen Forderung nach besserer Bezahlung von Pflegekräfte, besonders in der Altenpflege.
Aktuell fordert ver.di für die rund 2,14 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unter anderem sechs Prozent mehr Geld, eine Anhebung der Ausbildungsvergütung um 100 Euro pro Monat sowie keine Leistungskürzungen bei der Zusatz- (also der betrieblichen Alters-)versorgung. Ein etwaiger Tarifabschluss gilt über die sogenannte „Vergütungsautomatik“ für die Beschäftigten der katholischen Kirche unmittelbar (z. B. in Bayern). Eine Tariferhöhung ist bisher von der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas als Referenzgröße für die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas) mit einigen Verzögerungen stets übernommen worden.
Der Bund habe dafür gesorgt, dass die Kassen Tariflöhne refinanzieren, so Bundesgesundheitsminster Hermann Gröhe beim Deutschen Pflegetag. Doch gilt das auch in der Altenpflege?
Tariflöhne müssen bei Vergütungsverhandlungen berücksichtigt werden
Für Pflegeeinrichtungen vereinbaren die Pflegekassen, die überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Einrichtungsträger die Vergütung für Pflege sowie bei Pflegeheimen für Unterkunft und Verpflegung. Hierbei hatten Einrichtungsträger, die ihre Pflegekräfte nach Tarif bezahlten, das Problem, dass diese Bezahlung von Pflegekassen und überörtlichem Träger der Sozialhilfe als unwirtschaftlich und somit nicht vereinbarungsfähig abgewiesen wurden.
Erst das Erste Pflegestärkungsgesetz beendete diese Praxis. In ihm wird klargestellt, dass die Bezahlung nach Tarif sowie entsprechender Vergütung nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden können.
Pflegekassen refinanzieren Tariflöhne in der Regel nicht
Refinanzieren bedeutet nichts anderes als die Ausgaben wieder zurück zu bekommen. Geben Pflegeeinrichtungen also für Tariflöhne Geld aus, dann müssten ihnen die Pflegekassen das zurück zahlen, so Herr Gröhe. In der Altenpflege funktioniert das aber nicht. Hier übernehmen die Pflegekassen je nach Leistungsart und Pflegestufe die Kosten für die Pflege nur bis zu einer gesetzlich festgelegten Höhe, z. B. bei vollstationärer Pflege für einen Bewohner mit der Pflegestufe I bis zur Höhe von 1.063 € pro Monat. Der Rest ist vom Pflegebedürftigen, seinen Angehörigen oder dem Sozialhilfeträger zu zahlen.
Der Gesetzgeber hat mit dem PSG I dafür gesorgt, dass Tariflöhne bei der Bemessung der Vergütung berücksichtigt werden müssen. Die gesetzlich festgeschriebenen Leistungsbeträge sorgen aber zugleich dafür, dass die Pflegekassen diese höhere Vergütung in der Regel nicht refinanzieren. Begründet ist das dadurch, dass diese Leistungsbeträge in der Regel nicht ausreichen, um die Kosten für die Pflege zu decken. Das war schon vor Inkrafttreten des PSG I so und hat sich durch die Vorgabe, Tariflöhne bei der Bemessung der Vergütung zu berücksichtigen, noch verschärft.
Mehrausgaben für Pflegebedürftige und Kommunen sind die Folge
Im Bundesland Thüringen zeigen sich ganz aktuell die Folgen, die mit der besseren Bezahlung von Pflegekräften in der Altenpflege einhergehen. Dort hatten die Akteure viele Jahre auf niedrige Vergütungen für Pflegekräfte gesetzt und am Ende zusehen müssen, wie die Pflegekräfte in benachbarte westliche Bundesländer abwanderten. Aus diesem Grund hatten sich Kassen, Sozialministerium und Arbeitgeber selbst verpflichtet, die Bezahlung für Pflegekräfte sukzessive an das in westlichen Bundesländern gezahlte Vergütungsniveau anzupassen.
Inzwischen haben 70 Prozent der Pflegeeinrichtungen in Thüringen die Vergütung für ihre Pflegekräfte erhöht und neue, höhere Pflegesätze vereinbart. Die Mehrkosten werden von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen getragen. Die Zahl der Pflegebedürftigen, die sich den Eigenanteil für Pflegeleistungen aus eigenen Mitteln nicht mehr leisten können, ist dadurch gestiegen.
Carmen P. Baake ist Diplomökonomin und berät seit 2011 Pflegedienste und Sozialstationen zu betriebswirtschaftlichen und strategischen Themen. Zuvor war sie viele Jahre bei gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen beschäftigt. Daneben arbeitet sie als freiberufliche Dozentin und Fachautorin. Über den WALHALLA Fachverlag bietet sie derzeit Seminare zum Thema „Pflegestärkungsgesetz II“ und „Neues Begutachtungsassessment“ an.