Schnell, konsequent und komplett: Mit diesen Schlagworten lassen sich die Zusagen der Politik beschreiben, mit denen man gegen betrügerische Pflegedienste vorgehen will.
Mit dem im Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurfs des „Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III)“ (wir berichteten), der entsprechende Erweiterungen gegenüber dem Referentenentwurf enhält, soll der Weg dafür frei gemacht werden.
Auf das Einbringen dieses Gesetzesentwurfs warten wir derzeit noch. Carmen P. Baake hat die geplanten Änderungen bereits für Sie im Vorgriff durchgearbeitet und die geplanten Änderungen zum Thema Abrechnung und Abrechnungsbetrug für Sie unkommentiert zusammengestellt.
Pflegedienste, die ausschließlich Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbringen
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) handelt es sich bundesweit um 200 bis 300 Pflegedienste. Diese Pflegedienste können bisher nicht im Rahmen der Qualitätsprüfungen gem. §§ 114 ff. SGB XI vom MDK geprüft werden. Auch die in diesem Zusammenhang mögliche Abrechnungsprüfung ist bei diesen Pflegediensten ausgeschlossen.
Mit dem neuen § 275b SGB V will der Gesetzgeber diese Lücke schließen. Danach können einzelne Krankenkassen oder die Landesverbände der Krankenkassen veranlassen, dass der MDK die Qualität und Abrechnung der von diesen Pflegediensten erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V (HKP) im Rahmen von Regel- oder Anlassprüfungen kontrolliert.
Die Durchführung der Prüfung soll sich nach den Vorgaben in §§ 114 ff. SGB XI richten:
- Regelprüfungen sind danach bei diesen Pflegediensten einen Tag vorher anzumelden.
- Anlassbezogene Prüfungen sollen unangemeldet erfolgen.
Die Einzelheiten zu Prüfanlässen, Prüfinhalten, Durchführung, der Beteiligung der Krankenkassen und zur Abstimmung mit den Prüfungen nach SGB XI soll der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 282 Abs. 2 Satz 3 SGB V bestimmen. Den maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Frist zur Umsetzung: Die Richtlinien sind am letzten Tag des 9. auf den Tag der Verkündung des PSG III folgenden Kalendermonats zu beschließen.
Besonderheit Intensivpflege: Pflegedienste, die mindestens zwei Versicherte in einer von ihnen selbst oder einem Dritten organisierten Wohneinheit im Sinne einer außerklinischen Intensivpflege versorgen, werden verpflichtet, das den Krankenkassen anzuzeigen.
Laut Begründung zum Kabinettsentwurf soll dafür der Begriff „Wohneinheit“ weitmöglichst ausgelegt werden. Geregelt wird das in § 132a Abs. 2 Satz 11 SGB V. Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen finden in diesen Wohneinheiten immer unangemeldet statt. Die von Versicherten bewohnten Räume darf der MDK allerdings grundsätzlich nur mit deren Zustimmung betreten. Eine Ausnahme gilt nur, wenn das zur Verhütung drohender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.
Verdächtige HKP-Abrechnungen frühzeitig erkennen
Bundesweit gibt es über 100 unterschiedliche Vertragstexte für Verträge nach § 132a Abs. 2 SGB V. Da ist es kein Wunder, dass auch die darin enthaltenen Vorgaben zur Abrechnung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege (HKP-Leistungen) und den dazu vorzulegenden Leistungsnachweisen unterschiedlich sind. So wird zum Teil das Erfassen des Einsatzbeginns verlangt, zum Teil reicht aber auch die Angabe der Tageszeit (z. B. morgens, vormittags, mittags). Auch der Datenträgeraustausch nach § 302 SGB V brachte hierzu keine Klarheit. Danach müssen Pflegedienst nur die Art, Menge und Preis der erbrachten Leistungen angeben sowie das Tagesdatum.
Um offensichtliche Unstimmigkeiten in Abrechnungen ambulanter Pflegedienste schon im Zuge der regulären Rechnungsprüfung zu erkennen, sollen Pflegedienste laut Kabinettsentwurf künftig zusätzlich die Zeit angeben.
Der § 302 Abs. 1 SGB V soll daher entsprechend ergänzt werden. Was mit Zeit gemeint ist, geht aus dem Kabinettsentwurf nicht eindeutig hervor. Aus der Begründung lässt sich herauslesen, dass es hierbei um die Einsatzdauer geht. Reicht diese nicht aus, um die abgerechneten Leistungen nach fachlichem Ermessen zu erbringen, könnte das auf eine mögliche Abrechnungsmanipulation hinweisen.
Pflegedienste, die sowohl ambulante Pflegesachleistungen als auch häusliche Krankenpflege (HKP) anbieten
Bei Qualitätsprüfungen nach §§ 114 ff. SGB XI werden im Rahmen einer Stichprobe Versicherte ausgewählt, bei denen der MDK die Qualität der Leistungserbringung prüft. In diese Stichprobe können bislang nur die Versicherten aufgenommen werden, die ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI erhalten. Demzufolge kann momentan nur bei diesen Versicherten auch die HKP geprüft werden, sofern sie diese Leistungen erhalten. Nicht geprüft werden kann die Qualität und Abrechnung der HKP jedoch, wenn der Versicherte Pflegegeld erhält oder nicht pflegebedürftig ist.
Künftig kommt es bei der Auswahl der in die Stichprobe einzubeziehenden Versicherten nicht mehr darauf an, ob diese Versicherten ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI erhalten. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Pflegedienst neben den Pflegesachleistungen auch HKP erbringt. Ist das der Fall, wird die Stichprobe der im Rahmen der Qualitätsprüfung nach § 114 SGB XI einzubeziehenden Versicherten um Versicherte erweitert, die HKP erhalten, jedoch keine Pflegesachleistung.
§ 114 Abs. 2 SGB XI wird dazu um einen Satz 5 ergänzt.
Die Pflegetransparenzvereinbarungen sind entsprechend von den Vereinbarungspartnern anzupassen.
Neuzulassung von Pflegediensten nach Kündigung des Versorgungsvertrages nach § 72 SGB XI
Kranken- und Pflegekassen können bereits heute Verträge mit betrügerischen Pflegediensten kündigen. Sie haben jedoch keine gesetzliche Möglichkeit, den Abschluss eines Vertrages zu verweigern, wenn dieser Pflegedienst unter einem „Strohmann“ einen neuen Vertrag verlangt.
Als Lösung für dieses Problem sieht der Kabinettsentwurf vor, dass die Rahmenverträge nach § 75 SGB XI um konkrete Vorgaben zur Vertragserfüllung und Vertragsvoraussetzungen erweitert werden sollen. Dazu können laut Begründung nähere Kriterien zur Geeignetheit und Zuverlässigkeit des Inhabers, Geschäftsführers, Gesellschafters und der verantwortlichen Pflegefachkraft bestimmt werden. Diese könnten sich an dem in Berlin für ambulante Pflegedienste geschlossenen Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI orientieren. Im Bereich des SGB V ist bislang keine entsprechende Regelung angedacht.
Eigenständige Abrechnungsprüfung durch Landesverbände der Pflegekassen
Von den Kranken- und Pflegekassen wird schon lange kritisiert, dass sie hinsichtlich der Abrechnungsprüfung bei auffälligen Pflegediensten starken Reglementierungen unterworfen seien. Sie fordern vehement den gesetzlichen Anspruch auf eigenständige Abrechnungsprüfungen ein.
Pflegeeinrichtungen, die einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI für die Erbringung von ambulanter, teilstationärer oder vollstationärer Pflege haben, könnten sich bald mit einer Abrechnungsprüfung durch die Landesverbände der Pflegekassen konfrontiert sehen. Laut Kabinettsentwurf soll dazu § 79 SGB XI um eine solche Abrechnungsprüfung erweitert werden. Die Abrechnungsprüfung bezieht sich auf die Abrechnung von
- Leistungen, die zu Lasten der Pflegeversicherung erbracht oder erstattet werden sowie
- Leistungen für Unterkunft und Verpflegung.
Um die Prüfung zu veranlassen müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Die Landesverbände der Pflegekassen bestellen eigene Sachverständige für die Prüfung.
Auch hierfür sollen die Partner der Rahmenverträge nach § 75 SGB XI das Nähere zum Verfahren regeln.
Carmen P. Baake ist Diplomökonomin und berät seit 2011 Pflegedienste und Sozialstationen zu betriebswirtschaftlichen und strategischen Themen. Zuvor war sie viele Jahre bei gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen beschäftigt. Daneben arbeitet sie als freiberufliche Dozentin und Fachautorin. Über den WALHALLA Fachverlag bietet sie derzeit Seminare zum Thema „Pflegestärkungsgesetz II“ und „Neues Begutachtungsassessment“ an.