Bei der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs durch das PSG II ist bei der Kurzzeitpflege der Wurm drin. Damit am 1. Januar 2017 ein reibungsloser Übergang möglich ist, muss nachgebessert werden.
Über einen Korrekturvorschlag im Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) zum Besitzstandsschutz bezüglich der Pflegesätze haben wir ja schon berichtet.
Nun sollen im sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen „Gesetz zur Errichtung eines Transplantationsregisters“ Korrekturen eingefügt werden, die die amublante Intensivpflege, die Überleitung von Kurzzeitpflegeinrichtungen und die Aussetzung der Verzögerungsgebühr betreffen.
Heute (1.6.2016) findet zum Gesetzesvorhaben zur Einrichtung eines Transplantationsregisters eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit statt.
Dabei mitbehandelt wird ein Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, der Korrekturen zum geltenden SGB XI bzw. zum PSG II enthält, insbesondere:
Feststellung des Zeitanteils für die ambulante Intensivpflege
Um dieses Problem rechtzeitig vor Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zu lösen, sieht der Änderungsantrag ein zweistufiges Vorgehen vor:
Kurzfristige Lösung: Für die ambulante Intensivpflege soll vom GKV-Spitzenverband bis zum 30. November 2016 eine Richtlinie zur Feststellung des Zeitanteils, für den die Pflegekassen die hälftigen Kosten zu tragen haben, entwickelt werden.
Dabei sollen bei der Ermittlung des Zeitanteils nur Maßnahmen der körperbezogenen Pflege berücksichtigt werden.
Zur Umsetzung der Richtlinie sollen die Pflegekassen zudem den Medizinischen Dienst beauftragen können, zu prüfen, für welchen Zeitanteil die Pflegeversicherung die hälftigen Kosten zu tragen hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Richtlinie eine einzelfallbezogene Prüfung des Zeitanteils vorsieht, für die eine fachliche Bewertung erforderlich ist.
Langfristige Lösung: Der GKV-Spitzenverband soll außerdem beauftragt werden, eine wissenschaftliche Evaluation dieser Richtlinien vorzunehmen und den Bericht über die Ergebnisse der Evaluation bis zum 31. Dezember 2018 zu veröffentlichen. Basierend auf den Ergebnissen kann/soll dann bei Bedarf nachgesteuert werden.
Hintergrund des Problems:
Für Versicherte mit erheblichem intensivpflegerischen Bedarf, die ambulant versorgt werden, hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 17. Juni 2010 (B 3 KR 7/09 R) entschieden, dass bei gleichzeitigem Erbringen von medizinischer Behandlungspflege nach § 37 Absatz 2 SGB V und Grundpflege im Sinne von § 36 SGB XI durch dieselbe Pflegekraft für die Zeiten, in denen „reine“ Grundpflege erbracht wird und zugleich auch medizinische Behandlungspflege (Krankenbeobachtung) durchgeführt wird, die Leistungsansprüche nach § 37 Absatz 2 SGB V und nach § 36 SGB XI grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehen. In Fällen einer rund um die Uhr erforderlichen intensivpflegerischen ambulanten Versorgung sind die Kosten für diese Zeiten zu gleichen Teilen von der Kranken- und Pflegekasse zu übernehmen.
Mit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zum 1. Januar 2017 richtet sich die Einstufung der Pflegebedürftigen ausschließlich nach dem Grad der Selbständigkeit. Der Zeitaufwand für den Hilfebedarf bei der Grundpflege wird im Rahmen der Begutachtung zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit künftig nicht mehr festgestellt. Daher kann das Gutachten nicht mehr für eine zeitbezogene Aufteilung der Kostenträgerschaft herangezogen werden.
Der GKV-Spitzenverband soll daher verpflichtet werden, auf pflegefachlicher Grundlage Richtlinien zu entwickeln, mit denen ab dem 1. Januar 2017 eine pauschale und/oder einzelfallbezogene Feststellung des Zeit- und damit Kostenanteils der Pflegeversicherung möglich ist. Bei der Entwicklung der Richtlinien ist darauf zu achten, dass die bisherige leistungsrechtliche Zuordnung von Maßnahmen zur Pflegeversicherung und Krankenversicherung unverändert bleibt, damit die Vorgaben des Bundessozialgericht weiter umgesetzt werden können. Da der Begriff der Grundpflege im Pflegeversicherungsrecht künftig entfällt, ist der Zeitanteil für körperbezogene Pflegemaßnahmen festzustellen. Diese umfassen insbesondere die Maßnahmen der derzeitigen Grundpflege.
Aussetzung der „Strafzahlung“ bei Fristüberschreitung
Wenn die Pflegekasse den schriftlichen Bescheid über den Antrag des Versicherten nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags erteilt, hat sie für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 Euro an den Antragsteller zu zahlen.
Die Verzögerungsgebühr der Pflegekasse bei verspäteter Bescheidung des Neueinstufungsantrages soll nun bereits vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2017 ausgesetzt werden (Änderung der Änderung durch das PSG II, die eine Aussetzung bisher erst ab 2017 vorsieht, siehe den derzeitigen § 142 SGB XI, Fassung ab 01.01.2017).
Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil nur für vollstationäre Einrichtungen
Für die Kurzzeitpflege soll die durch das PSG II eingeführte Berechnung der einrichtungseinheitliche Eigenanteile nicht gelten. Dies soll durch eine Neuformulierung des § 84 Abs. 3 Satz 2 und des § 92c Satz 4 SGB XI klargestellt werden – in beiden Sätzen wird im Änderungsantrag nur noch von „vollstationären Einrichtungen“ gesprochen.
Aufgrund des nicht nach Pflegegraden differenzierten Leistungsbetrags der Kurzzeitpflege wird es als nicht zielführend betrachtet, in diesem Bereich einen einrichtungseinheitlichen Eigenanteil vorzuschreiben.
Aber: Eine Orientierung an der Vereinbarung der vollstationären Dauerpflege soll bei „eingestreuten“ Kurzzeitpflegeplätzen möglich bleiben.
Allerdings wird es als notwendig erachtet, eine Auffangregelung zur Überleitung der Pflegesätze für den Fall vorzusehen, dass die Pflegesatzverhandlungen nicht rechtzeitig zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs abgeschlossen sind. Deswegen soll in § 92e ein neuer Absatz 3a eingefügt werden, der eine eigene Berechnungsformel zur Bestimmung der Pflegesätze in der Kurzzeitpflege in Abweichung zum vollstationären Bereich einführt.
Bitte beachten: Die hier dargestellten geplanten Änderungen beruhen auf einem Änderungsvorschlag. Ob dieser unverändert angenommen wird, ob es noch zu weiteren Änderungen kommt, werden wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sehen. Das Gesetz soll jedenfalls noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden. Nach derzeitiger Inkrafttretensregel gilt es dann einen Monat nach Verkündung im Bundesgesetzblatt – also wohl ab August 2016.
Wie es mit dem Gesetz weitergeht und was tatsächlich beschlossen wurde, verfolgen wir mit und werden darüber berichten. |