Kommt jetzt die Pflege-Reform der Pflege-Reform?

Ja, fordert die Initiative „Pro- Pflegereform“!

Ein Kommenar von Carmen P. Baake

Das Ansinnen der Initiative dürfte bei den Vertretern der Großen Koalition auf wenig Zustimmung stoßen. Zumindest lassen Äußerungen wie z. B.: „Drei Pflegestärkungsgesetzejetzt muss aber mal genug sein für Pflege.“  darauf schließen. Dabei will die Initiative „Pro – Pflegereform“ nur dafür sorgen, dass die Pflegeversicherung tatsächlich das wird, was ihr schon länger nachgesagt wird: eine echte Teilkaskoversicherung.

Initiative „Pro-Pflegereform“

Verschiedene Träger und Verbände, z. B. die evangelische Heimstiftung GmbH haben zur Zukunft der sozialen Pflegeversicherung und deren Entwicklung verschiedene Positionspapiere und Reformvorschläge erarbeitet. Ausgehend davon hat sich in den letzten Monaten die Initiative „Pro-Pflegereform“ gebildet. Die Reformvorschläge sollen: „…,die Pflegeversicherung strukturell so verändern, dass die pflegebedingten Kosten für alle Pflegebedürftigen finanzierbar sind und zwar unabhängig davon, ob sie nun zu Hause, im Betreuten Wohnen oder in einem Pflegeheim leben“

Pflegeversicherung zu richtiger Teilkasko-Versicherung umbauen

Auf dem von der Initiative „Pro-Pflegereform“ organisierten Tag der Pflegereform am 18.05.2017 wurden sowohl die Kritikpunkte an der gegenwärtigen Pflegeversicherung als auch die Reformvorschläge einem breiten Publikum nahe gebracht. Die Kritikpunkte, die auch durch die drei Pflegestärkungsgesetze nicht gelöst wurden, sind bekannt. Dazu gehören z. B., dass

  • die Pflege sowohl für Pflegebedürftige als auch für deren Angehörige aufgrund der praktisch nicht kalkulierbaren finanziellen Belastung zum Armutsrisiko wird,
  • Pflegeeinrichtungen, die nach Tarif bezahlen und gute Rahmenbedingungen bieten, aufgrund der damit einhergehenden höheren Vergütungen am Markt benachteiligt sind
  • Leistungsverbesserungen wie z. B. zusätzliches Personal voll zu Lasten der Pflegebedürftigen bzw. deren Angehörigen geht und
  • die Behandlungspflege, die bei der häuslichen Versorgung selbstverständlich von den Krankenkassen bezahlt wird, bei voll- oder teilstationärer Versorgung die Pflegebedürftigen bzw. deren Angehörige finanziell zusätzlich belastet.

Diese Kritikpunkte könnten, so die Initiative „Pro-Pflegereform“ behoben werden, indem die Pflegeversicherung zu einer echten Teilkasko-Versicherung umgebaut werde.

Bislang sind die Leistungsbeträge, mit denen sich die Pflegekasse an den Kosten der Pflege beteiligt, gesetzlich begrenzt, z. B. für vollstationäre Pflege eines Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 3 auf 1.262 € pro Monat. Alle Kosten für die Pflege, die über diese gesetzlich festgelegten Pauschalen hinausgehen, müssen Pflegebedürftige bzw. deren Angehörige oder das Sozialamt bezahlen.

Bei einer echten Teilkasko-Versicherung ist jedoch der Eigenanteil des Versicherten, hier des Pflegebedürftigen, von vornherein auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Die Versicherung, hier die Pflegeversicherung, übernimmt alle Kosten, die über diesen Eigenanteil hinaus entstehen. Genau das will die Initiative „Pro-Pflegereform“ erreichen. Zudem soll die gesetzliche Krankenversicherung auch in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen die Kosten für medizinisch notwendige Behandlungspflegen übernehmen.

Gutachten zu 3 Szenarien

In einem Gutachten werden 3 Szenarien hinsichtlich

  • der Realisierbarkeit und der dafür erforderlichen Änderungen des SGB XI,
  • der finanziellen Auswirkungen und
  • der Auswirkungen im Hinblick auf die Versorgungssituation der Pflegebedürftigen

wissenschaftlich bewertet. Die Ergebnisse des von Prof. Dr. Rothgang und Dipl.-Gerontologen Kalwitzki erstellten Gutachtens mit dem Titel „Alternative Ausgestaltung  der Pflegeversicherung – Abbau der Sektorengrenzen und bedarfsgerechte                    Leistungsstruktur“ wurden ebenfalls am 18.05.2017 in Kurzform präsentiert. Das Gutachten belegt, dass die von der Initiative geforderten Änderungen sowohl machbar als auch finanzierbar sind.

Die Reformvorschläge und die Dokumente zum Tag der Pflegereform am 18.05.2017 können Sie nachlesen unter: www.pro-pflegereform.de

Dort soll voraussichtlich Ende Mai 2017 auch das komplette Gutachten veröffentlicht werden.

Meine Meinung: Aussicht auf Realisierung gering

Auch wenn ich das komplette Gutachten noch nicht kenne, kann ich mich grundsätzlich mit den Reformvorschlägen der Initiative „Pro-Pflegereform“ anfreunden, getreu dem Credo: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber soviel kann ich sagen:  es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“ (Zitat: Georg Christoph Lichtenberg,1742-1799).

Allerdings schätze ich die Aussicht der kompletten Reformvorschläge auf Realisierung als gering ein. Lediglich einige Aspekte haben höhere Erfolgsaussichten. Dazu gehört z. B. die geforderte Verpflichtung der Krankenkassen auch in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen die Kosten für die medizinisch notwendigen Behandlungspflegen zu übernehmen. Auf jeden Fall werde ich den weiteren Verlauf im Auge behalten und Sie von Zeit zu Zeit informieren.

Carmen P. Baake berät seit 2011 Pflegedienste und Sozialstationen zu betriebswirtschaftlichen und strategischen Themen. Zuvor war sie viele Jahre bei gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen beschäftigt. Daneben arbeitet sie als freiberufliche Dozentin und Fachautorin.