Keine Entgelterhöhung durch einseitige Erklärung des Heimträgers zulässig

Bisher war heftig umstritten, ob Entgelt- und Vergütungsveränderung durch einseitige Erklärung eines Heimbetreibers rechtens sind. Diese Frage hat in der Vergangenheit zahlreiche Gerichte beschäftigt, die dazu unterschiedlich entschieden.

Am 12. Mai 2016  hat der Bundesgerichtshof in dieser Frage ein Grundsatzurteil gefällt (III ZR 259/15), das nun im Volltext veröffentlicht wurde: Bei Änderungen der Berechnungsgrundlagen nach § 9 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) bedarf eine Entgelterhöhung zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Heimbewohners. Einer Erhöhung durch einseitige Erklärung und der unmittelbarer Einzug des erhöhten Preises ist mit diesem Urteil ein Riegel vorgeschoben.

Dies gilt unabhängig davon, ob der Heimbewohner selbst zahlt, Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung bekommt oder ob das Sozialamt für die Kosten aufkommt.

Im zugrunde liegenden Fall hatte es sich der Betreiber einer Pflegeeinrichtung in seinen Heimverträgen vorbehalten, die Preise für Pflege, Unterbringung, Betreuung, Verpflegung sowie Investitionskostenpauschalen einseitig zu erhöhen, sollte sich während der Vertragslaufzeit die Berechnungsgrundlage ändern. Gegen diese gängige Klausel in Heimverträgen klagte die Verbraucherzentrale Bundesverband nun erfolgreich.

„Durch das Urteil sind Bewohner von Pflege- und Behinderteneinrichtungen künftig besser vor überzogenen Forderungen geschützt. Einen Löwenanteil der Kosten zahlen sie meist aus eigener Tasche. Jetzt steht fest: Sie haben bei solchen Preiserhöhungen ein Mitspracherecht“ – so Heiko Dünkel, Rechtsreferent beim vzbv in der Pressemitteilung vom 13. Juni 2016.

Konsequenzen aus diesem Urteil

Entsprechende formularmäßige Vereinbarungen in Verträgen, in denen sich der Unternehmer eine einseitige Entgelterhöhung bei einer sich während der Vertragslaufzeit ändernden Berechnungsgrundlage vorbehält, sind auf Grund der Entscheidung des BGH auf Grund des Verbraucherschutzes unzulässig.  Zum Zuge kommen hier die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, genauer die §§ 305 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.

„Muster-Heimverträge“ müssen von den Betreibern schnellstens angepasst werden. Gleiches gilt für Allgemeine Geschäftsbedingungen, sollten diese eine entsprechende Klausel enthalten.

Für bestehende Heimverträge bedeutet dies, dass die entsprechende Klausel unwirksam ist und eine etwaige Entgelterhöhung nicht eingefordert werden kann. Der Heimbewohner muss sich aber zu einem Schreiben bzw. Mitteilung, dass die Kosten erhöht werden schon melden. Nichts tun genügt nicht bzw. man setzt sich dann dem Risiko aus, dass man durch Schweigen die Erhöhung akzeptiert.

Denn: der Heimträger darf eine Erhöhung „verlangen“, wenn er meint mit den derzeitigen Kosten nicht mehr zurecht zu kommen.

Der Heimbewohner hat aber dann die Möglichkeit, zu prüfen, ob dieses „Verlangen“ berechtigt ist. Dazu kann er auch Einsicht in die Unterlagen verlangen. Auch kann der Heimbewohner überlegen, ob er von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 11 Abs. 1 WBVG Gebrauch machen möchte.

Dieses Zustimmungserfordernis gilt auch bei bei Leistungsbeziehern nach dem SGB XI oder SGB XII.

Dazu der BGH in seiner Begründung:

„Innerhalb der Bedenkzeit von mindestens vier Wochen (§ 9 Abs. 2 Satz 4 WBVG) soll der Verbraucher frei entscheiden können, ob er mit der vom Unternehmer beabsichtigten Entgelterhöhung einverstanden ist, ob er es zum Beispiel auf den Ausgang eines noch nicht abgeschlossenen Pflegesatzverfahrens ankommen lassen möchte oder ob er sich von dem Vertrag durch Ausübung seines Sonderkündigungsrechts nach § 11 Abs. 1 Satz 2 WBVG lösen will.

Damit der Verbraucher eine “fundierte Entscheidung treffen kann”, muss er genügend Zeit haben, um die Angaben des Unternehmers überprüfen zu können.

§ 9 Abs. 2 Satz 5 WBVG verschafft ihm hierfür das Recht auf Einsichtnahme in die Kalkulationsgrundlagen des Unternehmers. Dies gilt uneingeschränkt für sämtliche Verbraucher als Vertragspartner von Wohn- und Betreuungsverträgen, nicht nur für Selbstzahler.“