„Mich beschämt es, wenn ich den Brief einer 80‑jährigen Frau lese, die mir schreibt, wie sie mit einer Kasse darum kämpft, ein taugliches Inkontinenzmittel für ihren pflegebedürftigen Ehemann zu finden. Damit muss Schluss sein. Das werden wir mit diesem Gesetz beenden.“
So Bundesgesundheitsminister Gröhe am 8.9.2016 in seiner Rede in der Plenarsitzung zur Haushaltsdebatte für das Jahr 2017.
Mit „diesem Gesetz“ meint er dabei den Entwurf des am 31.8.2016 vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurfs eines „Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG)“. Neben der Aufwertung der Stellung von Heilmittelerbringern (Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Podologen) sollen vor allem Maßnahmen der Qualität und Transparenz der Hilfsmittelversorgung weiterentwickelt werden. Die Regelungen des HHVG sollen überwiegend im März 2017 in Kraft treten.
„Angesichts der steigenden Zahl älterer, chronisch und mehrfach erkrankter Patientinnen und Patienten müssen wir stärker auf Prävention und Rehabilitation setzen. Zudem sollen Versicherte die richtigen Hilfen – dazu zählen Inkontinenzhilfen und Kompressionsstrümpfe genauso wie Schuheinlagen, Prothesen und Orthesen bis hin zu Rollstühlen und Hörgeräten – erhalten, um ihren Alltag trotz Einschränkungen möglichst selbstbestimmt bewältigen zu können. Deshalb sorgen wir für eine gute und zeitgemäße Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln.“
So Bundesgesundheitsminister Gröhe bei der Pressevorstellung des Entwurfs.
Diesem Gesetzentwurf vorausgegangen war die Auseinandersetzung von Patientenbeauftragten Gröhe mit dem GKV-Spitzenverband bezüglich der schlechten Versorgung Pflegebedürftiger mit Inkontinenzmitteln. Siehe dazu unsere Berichte zum Thema Hilfsmittel.
Mit dem geplanten HHVG soll es bessere Beratung, klarerer Qualitätsmaßstäbe und mehr Aktualität bei Hilfsmitteln geben:
Grundlegende Aktualisierung des Hilfsmittelverzeichnisses
Der GKV-Spitzenverband soll dazu verpflichtet werden, bis zum 31.12.2018 das Hilfsmittelverzeichnis grundlegend zu aktualisieren. Zudem soll er bis zum 31.12.2017 eine Verfahrensordnung beschließen, mit der die Aktualität des Verzeichnisses auch künftig gewährleistet wird.
Mehr Wahlmöglichkeiten für Versicherte
Bei Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich sollen die Krankenkassen bei ihren Vergabeentscheidungen künftig neben dem Preis auch qualitative Anforderungen an die Produkte und die mit ihnen verbundenen Dienstleistungen berücksichtigen, die über die Mindestanforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses hinausgehen. Zudem werden die Krankenkassen nach dem Gesetzentwurf verpflichtet, auch bei der Hilfsmittelversorgung, die im Wege der Ausschreibung zustande gekommen ist, ihren Versicherten Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen aufzahlungsfreien Hilfsmitteln einzuräumen.
Vertragskontrolle durch die Krankenkassen
Die Krankenkassen sollen künftig die Einhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Pflichten der Leistungserbringer mit Auffälligkeits- und Stichprobenprüfungen kontrollieren. Der GKV-Spitzenverband soll nach dem Gesetzentwurf verpflichtet werden, bis zum 30.06.2017 Rahmenempfehlungen zur Vertragskontrolle abzugeben.
Mehr Transparenz durch Beratungs- und Informationspflichten der Leistungserbringer
Um mehr Transparenz zur Geeignetheit der Hilfsmittel und ggfs. der Höhe von Aufzahlungen zu ermöglichen, sieht der Entwurf vor, dass Leistungserbringer Versicherte künftig beraten müssen, welche Hilfsmittel und zusätzlichen Leistungen innerhalb des Sachleistungssystems für sie geeignet sind und somit von den Krankenkassen als Regelleistung bezahlt werden. Darüber hinaus werden die Leistungserbringer verpflichtet, im Rahmen der Abrechnung mit den Krankenkassen auch die Höhe der mit den Versicherten vereinbarten Mehrkosten anzugeben.
Verbesserung der Beratungs- und Informationspflichten der Krankenkassen
Auch die Krankenkassen sollen zu einer verbesserten Beratung der Versicherten über ihre Rechte bei der Hilfsmittelversorgung verpflichtet werden. Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln, für die zuvor eine Genehmigung einzuholen ist, sollen die Krankenkassen künftig von sich aus über ihre Vertragspartner und die wesentlichen Inhalte der abgeschlossenen Verträge informieren. Bisher geschieht dies – wenn überhaupt – nur auf Aufforderung.
Damit Versicherte künftig Hilfsmittelangebote verschiedener Krankenkassen prüfen können, sollen die Krankenkassen zudem verpflichtet werden, über die von ihnen abgeschlossenen Verträge im Internet zu informieren.