Geplant: Vergütungskürzungen für Pflegeeinrichtungen bei Unterschreiten der personellen Mindestanforderungen

Im sogenannten Omnibus-Verfahren will die CDU/CSU-Fraktion dem „Entwurf eines Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften“ (Drs. 18/11488) 21 sachfremde Änderungsvorschläge ankoppeln. Davon könnte vor allem der Änderungsantrag Nr. 10 (siehe Ausschussdrucksache 18[14]250.2, S. 29) die Träger stationärer Pflegeeinrichtungen in arge Bedrängnis bringen; er beschäftigt sich mit dem notwendigen Mindestpersonal in Pflegeheimen bzw. mit den Folgen einer absichtlichen Unterdeckung.

Entsprechend harsch fallen auch die ersten Stellungnahmen der Verbände aus, die Träger stationärer Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene vertreten.

Das plant die CDU/CSU-Fraktion auf Bundesebene

Mit den geplanten Regelungen verfolgt die CDU-/CSU-Fraktion das Ziel, personelle Unterdeckungen, die Träger stationärer Pflegeeinrichtungen mit Absicht herbeiführen, schärfer zu ahnden als das bisher möglich war. Dazu soll § 115 SGB XI um Maßnahmen zur Vergütungskürzung ergänzt werden. Diese Vergütungskürzungen sollen bereits greifen können, wenn noch keine Qualitätsdefizite vorliegen.

Ein neuer Absatz 3a nimmt die in einem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) aus dem Jahr 2012 getroffenen Feststellungen auf (Az.: B 3 P 5/11 R). Das BSG hatte ausgeführt, dass eine rückwirkende Kürzung der Pflegevergütung grundsätzlich nur erfolgen kann,

  • wenn vertragliche oder gesetzliche Pflichten verletzt wurden und
  • das zu einem feststellbaren qualitativen Schaden in der Pflegeeinrichtung geführt habe.

Diese sei – so das BSG – unwiderlegbar zu vermuten, wenn entweder

  • die Pflegeeinrichtung über mehrere Monate hinweg die vereinbarte Personalausstattung um mindestens 8 Prozent unterschritten hat, als auch
  • bei einem planmäßigen und zielgerichteten, somit also vorsätzlichen Unterschreiten der vereinbarten Personalausstattung seitens des Einrichtungsträgers.

Der geplante § 115 Absatz 3a SGB XI soll laut dem Änderungsantrag Nr. 10 wie folgt lauten:

 „(3a) Absatz 3 findet unabhängig des Vorliegens von Qualitätsmängeln Anwendung:

  1. bei einem planmäßigen und zielgerichteten Verstoß des Einrichtungsträgers gegen seine Verpflichtung zur Einhaltung seiner vereinbarten personellen Ausstattung nach § 84 Absatz 5 sowie
  2. bei nicht nur vorübergehenden Unterschreitungen der vereinbarten Personalausstattung.

Dabei ist im Zuge eines beschleunigten Verfahrens und unter Abweichung von Absatz 3 das Einvernehmen über den Kürzungsbetrag unverzüglich herbeizuführen, und die Schiedsstelle hat in der Regel binnen drei Monaten zu entscheiden; eine Klage gegen die Entscheidung hat abweichend von Absatz 3 Satz 4 keine aufschiebende Wirkung. Bei Verstößen im Sinne des Satz 1 Nummer 1 ist Absatz 2 Satz 2 und 3 entsprechend anzuwenden.“

Wie Sie sehen, übernimmt die CDU-/CSU-Fraktion im vorgeschlagenen Absatz 3a die vom BSG genannten Gründe nicht 1 : 1. Sie verzichtet z. B. auf die vom BSG genannte Grenze von mindestens 8 Prozent Personalunterdeckung.

Spitzenverband Bund der Pflegekassen soll Richtlinien zum Procedere der Vergütungskürzung erlassen

Stattdessen überträgt sie dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen in einem vorgeschlagenen neuen Abs. 3b die Richtlinienkompetenz. Bis zum 31.12.2017 soll in bundeseinheitlich geltende Richtlinien das Nähere zum Verfahren der Kürzung der Pflegevergütung festlegen. Diese Richtlinien müssen vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt werden.

Bedenkt man, dass das Gesetz, an welches die genannten Regelungen im Omnibus-Verfahren gekoppelt werden sollen, erst Ende April in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses beraten wurde, ist das eine recht sportliche Angelegenheit

GKV-Spitzenverband fordert zusätzliche Änderung

In seiner Stellungnahme zeigt sich der GKV-Spitzenverband grundsätzlich darüber erfreut, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung die vom GKV-Spitzenverband seit langem geforderten Ergänzungen vornehmen will. Zusätzlich zu den im Entwurf des Abs. 3a (s.o.) genannten zwei Gründen für eine Vergütungskürzung verlangt der GKV-Spitzenverband die Aufnahme eines dritten Grundes. Dieser soll wie folgt lauten:

„3. bei nicht bestimmungsgemäßem Einsatz von Personal.“

Reaktion der Verbände von Einrichtungsträgern

Einig sind sich die Verbände darin, dass eine vorsätzliche Verletzung von vertraglichen und/oder gesetzlichen Pflichten Kürzungen von Pflegevergütungen rechtfertigt. Diese Möglichkeit sei aber bereits mit den vorhandenen gesetzlichen Regelungen in § 115 Abs. 1 und 3 SGB XI gegeben.

Vor diesem Hintergrund wird keine Notwendigkeit gesehen eine Gesetzesänderung herbeizuführen und den Spitzenverband Bund der Pflegekassen damit zu beauftragen, in Richtlinien das Nähere zum Verfahren der Vergütungskürzung zu regeln. So ist z. B. in der Stellungnahme des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) vom 21.04.2017 zu lesen:

„Die vorgeschlagenen Neuregelungen zur Vergütungskürzung bei Personalunterschreitung treffen auf die entschiedene Ablehnung des bpa. Sie sind unnötig, unbegründet und unverhältnismäßig. Hier besteht weder eine Regelungslücke noch ein Kontrolldefizit.“

In der Nacht von 01. zum 02.06.2017 Beschlussfassung im Bundestag geplant

Als TOP 28 steht das Gesetz einschließlich der als Omnibus angehängten Ergänzungen auf der Tagesordnung der 237. Sitzung des Bundestages (Beginn der zweiten und dritten Lesung sowie die Beschlussfassung ab 0:40 Uhr).

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit liegt bislang noch nicht vor. Sobald wir Näheres darüber wissen, werden wir hier natürlich darüber berichten.

Dieser Beitrag wurde zusammengestellt von Carmen P. Baake. Sie berät seit 2011 Pflegedienste und Sozialstationen zu betriebswirtschaftlichen und strategischen Themen. Zuvor war sie viele Jahre bei gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen beschäftigt. Daneben arbeitet sie als freiberufliche Dozentin und Fachautorin.