Erste Bilanz zu den Ergebnissen der Pflegebegutachtung nach dem neuen NBA

Gut 100 Tage neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff und damit verbunden, das neue Begutachtungsverfahren zur Ermittlung des Pflegegrades – Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Dazu stellte der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenversicherung e. V. (MDS) am 21. April 2017 die Ergebnisse der im ersten Quartal 2017 vorgenommenen Begutachtungen vor.

Carmen P. Baake fasst die Ergebnisse im Kurzüberblick zusammen. Resümee: Die Verteilung der Pflegegrade 1 bis 5 bei Antragstellern, die ab dem 01.01.2017 erstmals Leistungen der Pflegeversicherung beantragt haben, lassen aufhorchen … Pflegegrad 2 wird am häufigsten festgestellt, dicht gefolgt von Pflegegrad 1. Dieses Ergebnis kommt nicht unerwartet, wie die nachfolgende Analyse ergibt:

„Hut ab“ für die Leistung der MDK-Gemeinschaft

Bevor ich zu den Zahlen komme, muss ich zunächst der MDK-Gemeinschaft Respekt zollen für die Leistungen, die sie in dieser arbeitsintensiven Umstellungsphase bewältigt. Es braucht sehr viel Engagement und Kompetenz um neben dem laufenden Geschäft eine derartig umfangreiche Umstellung der Begutachtungsverfahren zu bewältigen. Schließlich mussten die Gutachter im ersten Quartal 2017 knapp ein Drittel (31 %) mehr Aufträge bearbeiten als im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres – und dies mit einem neuen Begutachtungssystem, das auch erst eingeübt sein will.

Dass die gesetzlich verankerten Bearbeitungsfristen – die ja sicherheitshalber in diesem Jahr eigentlich ausgesetzt wurden – dennoch zu 96 % eingehalten werden, ist vor diesem Hintergrund eine mehr als respektable Leistung. Diese Leistung wird auch nicht dadurch geschmälert, dass der Geschäftsführer des MDS in der Pressemitteilung vom 21. April 2017 darauf hinweist, dass Versicherte, die jetzt Leistungen der Pflegeversicherung beantragen und bei denen keine verkürzte Bearbeitungsfrist greift ca. 4 bis 8 Wochen auf das Begutachtungsergebnis warten müssen.

Fast 84 % der Antragsteller erhalten einen Pflegegrad

Die gute Nachricht zuerst: Nach dem neuen Begutachtungsverfahren (Neues Begutachtungsassessment – NBA) erhielten 185.891 der insgesamt 222.178 Antragsteller, die im ersten Quartal 2017 nach dem neuen Begutachtungsverfahren begutachtet wurden, einen Pflegegrad (83,67 %). Berücksichtigt sind hier auch Antragsteller, die ab dem 01.01.2017 einen Antrag auf Höherstufung gestellt haben und bereits vorher Leistungen der Pflegeversicherung erhielten.

Am häufigsten festgestellt – Pflegegrad 2 (42 %)

Von den 5 möglichen Pflegegraden sind die Pflegegrade 1 und 2 mit 34 % bzw. 42 % die mit Abstand am häufigsten festgestellten Pflegegrade bei Versicherten, die erstmals Leistungen der Pflegeversicherung beantragt haben.

Begutachtungsergebnisse, 1. Quartal 2017

© Carmen P. Baake

Zum Vergleich: Nach alter BRi am häufigsten festgestellt: Pflegestufe I (66 %)

Bereits nach dem bisherigen Begutachtungsverfahren wurden niedrige Pflegestufen wie Pflegestufe 0+eingeschränkte Alltagskompetenz (eA) und Pflegestufe I bei Erstantragstellern weitaus häufiger festgestellt, als höhere Pflegestufen. Dieser Trend scheint sich mit dem neuen Begutachtungsverfahren fortzusetzen.

Der entscheidende Unterschied: Erstantragsteller, bei denen Pflegestufe 0+eA festgestellt wurde hatten Anspruch auf Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Teilstationäre Pflege, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege. Erstantragsteller, die nach dem neuen Begutachtungsverfahren den Pflegegrad 1 erhalten, haben diese Leistungsansprüche nicht!

Ergebnisse der Erstbegutachtungen nach den alten Begutachtungsrichtlinien im Jahr 201

© Carmen P. Baake

Im Durchschnitt 37,2 Pflegegrad-Punkte

Die Auswertung des MDS für alle im ersten Quartal 2017 durchgeführten Begutachtungen nach dem neuen Verfahren zeigen , dass durchschnittlich 37,2 Pflegegrad-Punkte (gewichtete Punkte) erreicht werden. Diese Pflegegrad-Punkte ergeben sich aus den pflegegradrelevanten Modulen 1 bis 6 wie folgt:

Modul im  ersten Quartal 2017 durchschnittlich festgestellte
Pflegegrad-Punkte
maximal in diesem Modul mögliche
Pflegegrad-Punkte
1 – Mobilität 3,3 10
2 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten 4,2 15*
3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen 3,6 15*
4 – Selbstversorgung 17,5 40
5 – Umgang mit und selbständige Bewältigung von krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen 6,3 20
6 – Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte 5,9 15

* Aus den Modulen 2 und 3 gehen nur die jeweils höheren Pflegegrad-Punkte in den Pflegegrad ein. Im o.g. Durchschnitt von insgesamt 37,2 Pflegegrad-Punkten sind darum nur die 4,2 Pflegegrad-Punkte enthalten, die im Modul 2 durchschnittlich festgestellt wurden.

Quellen des Zahlenmaterials: Pressemitteilung des MDS vom 21.4.2017 und Veröffentlichung der Ergebnisse aus dem Jahr 2015.

Carmen P. Baake ist Diplomökonomin und berät seit 2011 Pflegedienste und Sozialstationen zu betriebswirtschaftlichen und strategischen Themen. Zuvor war sie viele Jahre bei gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen beschäftigt. Daneben arbeitet sie als freiberufliche Dozentin und Fachautorin. Über den WALHALLA Fachverlag bietet sie aktuell folgende Seminare an:

Seit April 2017 in der Auslieferung: „Begutachtungsverfahren NBA – Pflegegrad bei Erwachsenen„.