Elternunterhalt auch bei Patchworkfamilie von Unverheirateten?

Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte sich heute mit der Frage zu befassen, wie die Leistungsfähigkeit eines zum Elternunterhalt verpflichteten Sohnes zu ermitteln ist, der – in nichtehelicher Lebensgemeinschaft – mit seiner Lebensgefährtin und einem gemeinsamen und zwei Kindern aus früherer Ehe zusammenlebt.

Die Ausgangslage

Im vorliegenden Fall streitet ein Familienvater aus der Nähe von Regensburg mit dem Sozialhilfeträger um inzwischen rund 15.000 Euro für Sozialleistungen an seinen pflegebedürftigen Vater. Der Sozialhilfeträger ist der Ansicht, dass der Vater, der seit Jahren in seiner Wohnung von einem Pflegedienst versorgt wird, von seinem Sohn finanziell – im Rahmen des sogenannten Elternunterhalts – unterstützt werden muss. Der beklagte Sohn wendet sich mit dem Argument gegen die Forderung, er müsse seine eigene Familie versorgen; wäre er verheiratet, würde der entsprechende Familienselbstbehalt gelten. Er lebt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, aus der eine im Dezember 2008 geborene Tochter hervorgegangen ist. Die Lebensgefährtin hat aus einer früheren Ehe zwei minderjährige Kinder, die ebenfalls im gemeinsamen Haushalt leben.

Das Amtsgericht hat Familienvater zur Zahlung rückständigen und laufenden Elternunterhalts verpflichtet. Dabei ist es u.a. davon ausgegangen, dass sich der Mann nicht – wie ein verheirateter Unterhaltsschuldner – auf einen erhöhten Selbstbehalt (Familienselbstbehalt) berufen könne, weil er seiner Lebensgefährtin nicht zum Familienunterhalt verpflichtet sei. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts im Wesentlichen bestätigt und die Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zugelassen.

Der BGH hat sich heute im Termin (Az. XII ZB 693/14) vor allem mit folgenden Fragen zu beschäftigen:

  • Wie wirkt sich ein möglicherweise bestehender Betreuungsunterhaltsanspruch der Lebensgefährtin auf die Leistungsfähigkeit des von den Sozialbehörden verpflichteten Sohnes aus?
  • Kann sich der Mann ebenso wie ein verheirateter Unterhaltspflichtiger auf den Familienselbstbehalt stützen, weil er – eventuell auch unabhängig von einer Rechtspflicht – tatsächlich eine Familie versorgt?

Wie funktioniert der Elternunterhalt?

Reichen die Ersparnisse des Betroffenen, seine Rente und seine Ansprüche aus der Pflegeversicherung nicht aus, springt die Sozialhilfe in Form der „Hilfe zur Pflege“ ein, wenn der Betroffene zuhause oder in einem Heim versorgt werden muss.

Das Sozialamt verlangt diese Leistung unter Umständen von den Kindern zurück (§ 94 SGB XII). Hintergrund ist die in §§ 1601, 1603 BGB geregelte Unterhaltspflicht des Kindes gegenüber seinen Eltern, wenn diese nicht mehr für sich selbst sorgen können. Unterhalt muss aber wiederum nur der zahlen, der dazu auch finanziell in der Lage ist und wenn nicht noch andere – vorrangige – Leistungsberechtigte vorhanden sind. Vorrangig leistungsberechtigt sind immer die eigenen Kinder und der Ehepartner. Zudem muss noch einberechnet werden, was man selbst und die Familie zum Leben braucht. Wie viel man für sich selbst und seine Familie behalten darf, ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle. Dort kann man den sogenannten „Selbstbehalt“ herauslesen.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat entschieden, dass auch bei Unverheirateten eine eventuelle Verpflichtung zur Zahlung von Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit nach § 1603 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Elternunterhalt zu berücksichtigen ist. Dies könne auch dann gelten, wenn sich die beiden Partner gemeinsam entscheiden, dass die Mutter das Kind zu Hause betreut mit der Konsequenz, dass die Mutter kein oder nur ein geringes Einkommen hat.

Zwar könne sich der Mann nicht auf einen Familienselbstbehalt berufen. Eine eventuelle Unterhaltspflicht ist allerdings als sonstige Verpflichtung im Sinne von § 1603 Abs. 1 BGB vorrangig zu berücksichtigen. Ist das gemeinsame Kind, wie hier, älter als drei Jahre, steht dem betreuenden Elternteil nach § 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB dann weiterhin ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind kind- und elternbezogene Gründe zu berücksichtigen. Da hier keine kindbezogenen Verlängerungsgründe festgestellt sind, kamen lediglich elternbezogene Gründe in Betracht. Solche können bei zusammenlebenden Eltern auch darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im Einvernehmen mit dem anderen Elternteil persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Eine rechtsmissbräuchliche Ausgestaltung des familiären Zusammenlebens zu Lasten des Unterhaltsanspruchs des Vaters ist hier nicht ersichtlich.

Weil das Oberlandesgericht einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt mit unzutreffenden Erwägungen abgewiesen hat, konnte die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung daher aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht muss nun Grund und Höhe eines vorrangig zu berücksichtigenden Anspruchs auf Betreuungsunterhalt prüfen.

Siehe auch: Pressemitteilung Nr. 54/16 des BGH zum Beschluss vom 9. März 2016 – XII ZB 693/14