Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil und Pflegesätze nach Pflegegraden im Pflegeheim ab 01.01.2017: Verhandlungen haben begonnen!

In Deutschland gibt es ungefähr 13.000 voll- und teilstationäre Pflegeeinrichtungen. Daran haben vollstationäre Pflegeeinrichtungen den größten Anteil – so das Statistische Bundesamt in der Pflegestatistik 2013.

Für jedes dieser fast 13.000 Pflegeheime müssen bis spätestens November 2016 Pflegesätze nach Pflegegraden und der neue, durch das PSG II eingeführte, einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EA) ermittelt werden.

Carmen P. Baake berichtet über die gesetzlichen Vorgaben und den aktuellen Stand der Umsetzung.

Verhandlungsweg vom Gesetzgeber präferiert

Vom Gesetzgeber wird der Weg präferiert, die neuen Pflegesätze und den (EA) für jedes Pflegeheim auf dem Verhandlungsweg zu vereinbaren. Das bedeutet, dass jeder Einrichtungsträger sich mit den Vertretern der Pflegekassen sowie ggf. dem Sozialhilfeträger an den Verhandlungstisch setzt und die neuen Vergütungen für die Zeit ab dem 01.01.2017 aushandelt.

Bei der großen Zahl von Pflegeheimen ist das vor allem für die Pflegekassen und die Sozialhilfeträger eine enorme Herausforderung.

Verfahrensabsprachen auf Landesebene sollen Verhandlungen erleichtern

Damit die große Zahl an Verhandlungen überhaupt in diesem Jahr zu bewältigen ist, hat der Gesetzgeber die Pflegesatzkommissionen nach § 86 SGB XI auf Landesebene dazu ermächtigt, ein vereinfachtes Verfahren festzulegen. In der Pflegesatzkommission sind die Landesverbände der Pflegekassen, der Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. sowie die überörtlichen oder ein nach Landesrecht bestimmter Träger der Sozialhilfe vertreten.

Diese können sich auf ein Verfahren verständigen, mit dem die aktuellen nach Pflegestufen vereinbarten Pflegesätze und Personalschlüssel je Pflegeheim in Pflegesätze und Pflegeschlüssel nach Pflegegraden übergeleitet werden und wie der EA ermittelt wird. Zudem soll die Pflegesatzkommission sich auf einen Risikozuschlag verständigen, der dazu dient, eventuelle Umsatzausfälle der Pflegeheime ab dem 01.01.2017 zu refinanzieren.

Für einige Bundesländer gibt es derartige Verfahrensabsprachen schon, z. B. Freistaat Bayern, Niedersachsen und Freistaat Sachsen.

Alternative Überleitung, wenn am 30.09.2016 keine Vereinbarung vorliegt

Ob mit oder ohne vereinfachende Absprache auf Landesebene, spätestens am 30.09.2016 müssen die Verhandlungen für jedes Pflegeheim abgeschlossen sein. Liegt an diesem Tag keine Vereinbarung vor, aus der die Pflegesätze und Personalschlüssel nach Pflegegraden sowie der EA hervorgeht, hat der Gesetzgeber die zwangsweise Überleitung der dann aktuellen Pflegesätze nach Pflegestufen ind Pflegesätze nach Pflegegraden vorgesehen.

Die dafür anzuwendende Berechnungsformel steht in § 92e SGB XI.

Die Berechnung nimmt der Heimträger vor und teilt die so ermittelten Pflegesätze nach Pflegegraden und den EA bis spätestens zum 31.10.2016 den Pflegekassen sowie ggf. dem Sozialhilfeträger mit. Dazu hat er anzugeben,

  • wie hoch die bisherigen Pflegesätze sind,
  • wie viele Heimbewohner welche Pflegestufe mit oder ohne eingeschränkte Alltagskompetenz haben, und
  • wie hoch der Gesamtbetrag der Einnahmen aus Pflegesätzen ist, die er am 30.09.2016 (Stichtag) für diese Bewohner hatte.

Die so informierten Kostenträger entscheiden unverzüglich mit Mehrheit, ob sie die vom Einrichtungsträger übermittelten Angaben beanstanden.

Für Pflegeheime, deren Träger bis zum 30.09.2016 keine Vereinbarung geschossen haben und bis zum 31.10.2016 im Zuge der alternativen Berechnung keine Angaben an die Pflegekassen und ggf. den Sozialhilfeträger übermittelt haben, schätzen die Pflegekassen die zur Ermittlung der Pflegesätze nach Pflegegraden und des EA erforderlichen Angaben.

Information der Heimbewohner spätestens bis 30.11.2016

Die Bewohner der Pflegeheime werden vom Pflegeheim spätestens bis zum 30.11.2016 schriftlich darüber informiert

  • wie hoch die Pflegesätze nach Pflegegraden ab dem 01.01.2017 sind
  • welcher EA dann zu zahlen ist
  • und dass es einen Besitzstandsschutz nach § 141 SGB XI gibt.

Ob die Pflegesätze nach Pflegegraden und der EA zuvor durch Verhandlung, Vereinbarung auf Basis der Berechnung des Pflegeheimes oder Schätzung durch Pflegekassen und Sozialhilfeträger ermittelt wurden, ist hierfür unerheblich.

Besitzstandsschutz nach § 141 SGB XI

Für Heimbewohner, die bereits am 31.12.2016 Anspruch auf Leistungen der vollstationären Pflege nach § 43 SGB XI haben, gilt ab 01.01.2017 ein Besitzstandsschutz. Dieser ist in § 141 Abs. 3 SGB XI geregelt. Danach zahlt die Pflegekasse den Heimbewohnern„von Amts wegen“ einen Zuschuss, deren EA im ersten Monat nach der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs (Januar 2017) höher ist als ihr individueller Eigenanteil, den sie im Vormonat (Dezember 2016) zahlen müssen.

Wichtig: Erhöht sich der EA später, z. B. im März 2017, greift der Besitzstandsschutz nicht. Die Heimbewohner müssen dann die Differenz zwischen ihrem bisherigen und ggf. von der Pflegekasse bezuschussten EA und dem ab März erhöhten EA selbst bezahlen.

Hier ein Beispiel:

Klara Römer lebt seit Juni 2016 im Pflegeheim. Sie hat Pflegestufe I und bezahlt für die Pflege, Betreuung und Behandlungspflege nach Abzug der Pflegekassenleistung einen Eigenanteil in Höhe von 650 €.

Der Träger des Pflegeheimes konnte sich mit den Pflegekassen und dem Sozialhilfeträger bis zum 30.09.2016 nicht auf eine neue Pflegesatzvereinbarung für die Zeit ab dem 01.01.2017 verständigen. Er hat die Schiedsstelle angerufen, die über seine Pflegesatzforderung entscheiden soll.

Da am 30.09.2016 keine Pflegesatzvereinbarung vorliegt und der Heimträger keine eigene Berechnung vornimmt, werden die ab 01.01.2017 geltenden Pflegesätze nach Pflegegraden und der EA per Schätzung ermittelt.

Der EA, den Frau Römer aufgrund der per Schätzung ermittelten Pflegesätze ab Januar 2017 zahlen muss, beträgt 785 €. Das sind 135 € mehr als ihr individueller Eigenanteil, den sie im Dezember 2016 zahlen musste.

Im Rahmen des Besitzstandsschutzes bezahlt die Pflegekasse diese 135 €.

Im März 2017 entscheidet die Schiedsstelle über die vom Heimträger geforderten Pflegesätze. Dadurch erhöht sich der EA für Frau Römer ab Mai 2017. Er beträgt nun 835 €.

Frau Römer muss die Differenz zwischen dem bisherigen EA in Höhe von 785 € und dem ab Mai 2017 geltenden EA in Höhe von 835 € selbst bezahlen. Das sind für sie 50 € pro Monat zusätzliche Kosten.

Carmen P. Baake ist Diplomökonomin und berät seit 2011 Pflegedienste und Sozialstationen zu betriebswirtschaftlichen und strategischen Themen. Zuvor war sie viele Jahre bei gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen beschäftigt. Daneben arbeitet sie als freiberufliche Dozentin und Fachautorin. Über den WALHALLA Fachverlag bietet sie derzeit Seminare zum Thema „Pflegestärkungsgesetz II“ und „Neues Begutachtungsassessment“ an.

Lesetipp für Heimbetreiber: Zur Umstellung auf Pflegegrade in Altenheimen empfehlen wir die Handreichung von Gavin Ennulat. Der kompakte Praxisleitfaden zeigt, was der Heimbetreiber bei der Pflegegradumstellung zu bedenken hat, wie gehandelt werden kann und welche Umsetzung tatsächlich ratsam ist.