Brille auf Rezept? Infos zur Kostenübernahme aufgrund der Änderung durch das HHVG

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) wurde die (teilweisen) Kostenübernahme bei Brillengläsern für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, Anfang April erweitert. Wer welche Leistungen von der Krankenkasse erhalten kann, erklärt unser Autor André Wieprecht.

Übersicht über Kostenzuschüsse

Die Brille zählt zu den Hilfsmitteln nach der Krankenversicherung. Die Kosten werden von der Krankenversicherung nach Vorlage einer ärztlichen Verordnung grundsätzlich für die Gläser und die damit zusammenhängenden Änderungen, die Instandsetzung sowie die Ersatzbeschaffung übernommen. Kein Kostenersatz besteht dagegen für das Brillengestell.

Bei der Brillenversorgung ist zudem stets das Alter zu beachten.

Lebensjahr Kostenzuschuss
bis zum vollendetem 18. Lebensjahr – Brillengläser

– kein Brillengestell

– Kontaktlinsen nur in Ausnahmefällen

ab dem vollendetem 14. Lebensjahr – keine erneute Versorgung mit Brillengläsern, wenn nicht eine Änderung der Sehfähigkeit um mind. 0,5 Dioptrien vorliegt
ab dem vollendetem 18. Lebensjahr – Brillengläser NUR, wenn

  • auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 vorliegt oder
  • ein verordneter Fern-Korrekturausgleich von mehr als 6 Dioptrien bei Kurz- oder Weitsichtigkeit vorliegt oder
  • ein verordneter Fern-Korrekturausgleich von mehr als 4 Dioptrien wegen einer Hornhautkrümmung zur Korrektur der Sehschwäche benötigt wird.

– kein Brillengestell

– Kontaktlinsen nur in Ausnahmefällen

Kostenübernahme bei Brillen

Das Alter ist zu beachten:

Eine (teilweise) Kostenübernahme der Krankenversicherung für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, kommt – anders als bei Kindern und Jugendlichen – nach dem neuen § 33 Abs. 2 SGB V nur in folgenden Fällen in Betracht:

  • Wenn eine Sehbeeinträchtigung oder Blindheit vorliegt, die bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen zu einer schweren Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 führt (Sehleistung bei bestmöglicher Brillenkorrektur ≤ 0,3 auf beiden Augen). Somit darf mit einer Brille nur eine maximale Sehleistung von bis zu 30 Prozent oder weniger erreicht werden. Keine Rolle spielt dagegen, ob mit den Kontaktlinsen eine bessere Sehschärfe möglich ist.
  • Ein vom Arzt verordneter Fern-Korrekturausgleich von mehr als 6 Dioptrien bei Kurz- oder Weitsichtigkeit vorliegt.
  • Ein ärztlich verordneter Fern-Korrekturausgleich von mehr als 4 Dioptrien wegen einer Hornhautkrümmung (Astigmatismus) zur Korrektur der Sehschwäche benötigt wird.

Für therapeutische Sehhilfen, die der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen, ist ab Vollendung des 18. Lebensjahres außerdem zu beachten, dass sie zum Beispiel für folgende Fälle verordnet worden sein müssen:

  • Brillenglas mit Lichtschutz mit einer Transmission ≤ 75 Prozent bei den Blendenschutz herabsetzenden Substanzverlusten der Iris (zum Beispiel Iriskolobom, Aniridie) und Albinismus
  • Brillenglas mit UV-Kantenfilter (400 nm) bei Aphakie (Linsenlosigkeit), Iriskolobomen und Albinismus
  • Verbandlinsen/Verbandschalen bei/nach Hornhauterosionen, Abrasio bei Operation, Verätzung/Verbrennung und Hornhautverletzungen
  • Kunststoffgläser als Schutzgläser, wenn der Versicherte aufgrund seiner Epilepsie und/oder Spastiken erheblich sturzgefährdet ist.

Erneute Brillenverordnung und Kostenübernahme
Für Versicherte, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, gilt eine weitere Einschränkung der Kostenübernahme für die Versorgung mit einer Sehhilfe zu beachten. So kommen zum Beispiel neue Brillengläser in der Regel nur dann in Betracht, wenn die Sehfähigkeit sich um mindestens 0,5 Dioptrien verändert hat.

Kostenübernahme bei Kontaktlinsen

Bei Kontaktlinsen besteht gegenüber der Krankenversicherung nur in medizinischen Ausnahmefällen ein Anspruch auf Kostenübernahme. Dies ist nach der vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen aktuellen Hilfsmittel-Richtlinie der Fall, wenn die Kontaktlinsen zur Verbesserung der Sehschärfe dienen und eine Verordnung aufgrund von

  • Myopie ≥ 8,0 Dioptrien (dpt),
  • Hyperopie ≥ 8,0 dpt,
  • irregulärer Astigmatismus, wenn damit eine um mindestens 20 Prozentpunkte verbesserte Sehstärke gegenüber Brillengläsern erreicht wird,
  • Astigmatismus rectus und inversus ≥ 3,0 dpt,
  • Astigmatismus obliquus (Achslage 45°+/– 30°, bzw. 135° +/– 30°) ≥ 2 dpt,
  • Keratokonus,
  • Aphakie,
  • Aniseikonie > 7 Prozent (die Aniseikoniemessung ist nach einer anerkannten reproduzierbaren Bestimmungsmethode durchzuführen und zu dokumentieren),
  • Anisometropie ≥ 2,0 dpt

vorliegt. Sollte dies der Fall sein, wird etwa nur dann eine weiche Kontaktlinse übernommen, wenn eine formstabile Linse nachweislich nicht benutzt werden kann. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse von zum Beispiel Kontaktlinsen als postoperative Versorgung (auch als Verbandslinse/Verbandschale), Kontaktlinsen in farbiger Ausführung zur Veränderung oder Verstärkung der körpereigenen Farbe der Iris oder sog. One-Day-Linsen ist generell ausgeschlossen.

Zuschuss in Höhe von Festbeträgen

Vielen ist nicht bewusst, dass der Anspruch auf Kostenübernahme von Brillen und Kontaktlinsen abhängig ist, von den durch die Spitzenverbänden der Gesetzlichen Krankenkassen festgelegten Festbeträgen für Sehhilfen. Diese Festbetragsregelung führt zu einer Begrenzung der Leistungspflicht der Krankenkassen gegenüber dem Betroffenen. Der Festbetrag richtet sich nach dem Dioptrienwert und dem Material des Glases. Nach der derzeit geltenden Regelung werden pro Glas zwischen 10 und ca. 120 Euro brutto übernommen. Für Kontaktlinsen liegt der Zuschuss der Krankenkasse pro Stück bei bis zu ca. 164 Euro brutto. Somit muss der betroffene Versicherte für Gläser oder Kontaktlinsen, die den Festbetrag überschreiten, die Mehrkosten tragen.

Zuzahlung beachten

Brillen und Kontaktlinsen gehören zu den Hilfsmitteln nach der Krankenversicherung. Daher muss ab dem 19. Lebensjahr eine Zuzahlung in Höhe von 10 Prozent des von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrages gezahlt werden, jedoch mindestens 5 Euro beziehungsweise höchstens 10 Euro.

Dieser Artikel erschien zunächst auf der Seite SEHFAMILIE (https://sehfamilie.wordpress.com) von Dr. André Wieprecht und Annett Wieprecht-Kotzsch. Auf SEHFAMILIE gibt es viele Informationen, Tipps, Anregungen und FREEBIES rund um das Thema Sehen (z.B. wie Babys sehen (lernen)). Eine kleine Einführung zum Sehfamilien-Projekt kann hier nachgelesen werden.
Cover Praxisratgeber Pflegeversicherung, Wieprecht Dr. André Wieprecht ist Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter zu sozialrechtlichen Fragestellungen. Zusammen mit Annett Wieprecht-Kotzsch hat er für den Walhalla Fachverlag den „Praxisratgeber Pflegeversicherung“ verfasst, der Ansprüche und Leistungen für pflegebedürftige Säuglinge, Kinder und Erwachsene nach dem neuen Recht 2017 erklärt. Als Eltern eines pflegebedürftigen Sohnes sind sie immer wieder damit befasst, die beste Pflegesituation für ihr Kind zu schaffen. Ihr Wissen um die rechtlichen Grundlagen sowie ihre praktischen Erfahrungen im Umgang mit der Pflegekasse und sonstigen Leistungsträgern sind – mit vielen Praxistipps – in diesen Ratgeber eingeflossen. 

Warum die „Wiekos“ ein Buch zum Thema „Pflegeversicherung“ geschrieben haben, kann auch hier im Interview nachgelesen werden.