Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen: AOK-Ermittler verfolgen über 800 Fälle

Luftrezepte, erfundene Behandlungen, manipulierte Rechnungen: Aktuell verfolgt das Ermittlungsteam der AOK NORDWEST mehr als 800 Fälle von Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen. Allein in den vergangenen zwei Jahren holten die Spezialisten Gelder in Höhe von rund 3,4 Millionen Euro zurück. „Die meisten Leistungserbringer rechnen korrekt ab. Aber schon einige wenige schwarze Schafe können ein schlechtes Licht auf den gesamten Leistungsbereich werfen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Jürgen Mosler, Leiter des Stabsbereichs Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der AOK NORDWEST. Seit rund zwölf Jahren geht die AOK mit einer eigens eingerichteten Ermittlungsgruppe Hinweisen auf Fehlverhalten von Leistungserbringern im Gesundheitswesen nach. Allein in den vergangenen zwei Jahren gingen insgesamt 488 neue Hinweise ein. Dabei wurden Fälle aus allen Bereichen des Gesundheitswesens verfolgt. Die insgesamt sieben AOK-Ermittler arbeiten eng mit anderen Krankenkassen sowie der Kriminalpolizei und den Staatsanwaltschaften zusammen.

„Bestätigt sich der Verdacht der Abrechnungsmanipulation, schalten wir die Staatsanwaltschaft ein und fordern die finanzielle Wiedergutmachung des Schadens ein. Ebenfalls prüfen wir, ob eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner noch möglich ist“, erklärte Dr. Mosler. In den vergangenen zwei Jahren konnten so rund 3,4 Millionen Euro zurückgeholt werden. „Manipulationen im Gesundheitswesen sind keine Kavaliersdelikte. Gegen die wenigen Betrüger muss konsequent und mit aller Härte des Gesetzes vorgegangen werden. Denn hier werden Gelder der Versichertengemeinschaft veruntreut“, sagt Georg Keppeler, alternierender AOK-Verwaltungsratsvorsitzender und Versichertenvertreter.

In Schleswig-Holstein waren die AOK-Ermittler zum Beispiel maßgeblich bei der Aufklärung eines Falls beteiligt, bei dem ein Medizinisches Versorgungszentrum in Hamburg und Neumünster Röntgenkontrastmittel in Übermaß bestellte und zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abrechnete. Der in Millionenhöhe entstandene Schaden wird gegenwärtig von der AOK NORDWEST geltend gemacht.

In einem weiteren Fall rechneten mehrere Heilmittelerbringer gemeinsam systematisch krankengymnastische Leistungen ab, die nie erbracht wurden. Die AOK NORDWEST forderte den entstandenen Schaden von mehr als 110.000 Euro erfolgreich zurück.

Gleich in mehreren Fällen kamen die Ermittler Pflegediensten auf die Spur, die Leistungen mehrfach abrechneten, die Patienten aber zu keinem Zeitpunkt erhielten. Hier konnte die AOK eine Schadensregulierung von über 100.000 Euro erwirken.

Anti-Korruptionsgesetz muss endlich kommen
Neben Betrugsfällen mit klar zu beziffernden Schadenssummen hat das Gesundheitswesen des Weiteren mit dem Problem der Korruption zu kämpfen. „Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen muss nach langen Diskussionen nun endlich kommen“, fordert Johannes Heß, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender und Arbeitgebervertreter. Die ursprünglich für Februar vorgesehene Verabschiedung des Gesetzes wurde erneut verschoben. Danach soll der Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch verankert werden. Entsprechende Delikte sollen mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden. In besonders schweren Fällen drohen für Bestechlichkeit oder Bestechung bis zu fünf Jahre Haft. Auch die Kranken- und Pflegekassen sollen bei einem Verdacht auf Fehlverhalten Strafantrag stellen dürfen.

Geldrückflüsse aus allen Leistungsbereichen
Die Geldrückflüsse von insgesamt rund 3,4 Millionen Euro in den vergangenen zwei Jahren setzen sich durch erfolgreiche Rückforderungen in den folgenden wesentlichen Bereichen zusammen: Arznei- und Verbandsmittel (1,67 Millionen Euro), Hilfsmittel (507.000 Euro), Häusliche Krankenpflege (406.000 Euro), Fahrkosten (226.000 Euro), Heilmittel (166.000 Euro), Pflegeversicherung (150.000 Euro), ärztliche Behandlung (115.000 Euro), zahnärztliche Behandlung (112.000 Euro), Krankenhausbehandlung (80.000 Euro).

Quelle: Pressemitteilung der AOK Nordwest vom 17. März 2016